Landschaftskonstruktionen Text von Thomas Seelig, 1999
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Vorlage oder Matrize für das künstlerische Vorgehen von Elmar Mauch ist das Fotografieren selbst. Reproduktionen als reine Bildgeber sind für ihn uninteressant, wären diese doch Bedeutungsträger und würden Querverweise anderer Art mit sich ziehen.
Die Verknüpfung verschiedener Realitätsebenen auf Basis der eigenen fotografischen Produktion ist ein wichtiges Element. Von der reinen Fotografie ausgehend wandeln sich in den „Landschaftskonstruktionen” von Elmar Mauch räumliche Szenen durch eine Vielzahl verschiedener Transformation-
prozesse zu bildlichen Flächen. Bäume und Gestrüpp strukturieren sich zu verwobenen Bildteppichen, Halbtöne in der Fotografie werden durch die technische Polarisierung des Kopierers zu Schwarz und Weiß. Vorlagen von Mauchs Arbeit sind jeweils filmisch abgetastete Varianten eines begrenzten Landschaftsdetails, die durch minimale Achsenverschiebungen zu immer neuen An- und Durchsichten führen. Mauch betreibt beim Collagieren eine Bildfindung jenseits der Fotografie.
Seine Arbeit besticht durch ihre strukturelle Schlichtheit, die manche Werke in der Nähe des „radical paintings” erscheinen lassen. Andere wecken surreale Bilderfahrungen oder schicken die Betrachter lustvoll zwischen konzeptioneller Strenge und ausufernder Desorientierung hin und her. Mauch nutzt seinen eigen produzierten Bildpool als Ausgangspunkt seiner Arbeit, entfernt sich aber mit seinen Konstruktionen von der ursprünglichen Abbildungsfunktion der Fotografie. Er entwirft eine neue Sichtweise von Natur als ein verdichtetes System von vernetzten Elementen, das in seiner chaotischen Struktur eine neue, innere Ordnung hervorruft.
Elmar Mauch – Naturen Text von Gregor Jansen , 2001
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Sukzessive Fotografie
Elmar Mauch arbeitet als Künstler mit dem Medium Fotografie, und doch sind seine Werke keine Fotografien. Es sind auf Fotografien beruhende Ink Jet Prints, die er in der Natur, im Wald oder auf dem Feld von annähernd gleichem Standpunkt aus macht. Mauchs Prinzip ist das Zusammenfassen sukzessiv wahrgenommener Bilder, bzw. sukzessiv fotografierter Bilder, die dann in einem Medium des stehenden Bildes zusammengefaßt werden. Was auf den ersten Blick als gleiche, nur verschobene Aufnahme erscheint, ist zumeist eine geschickte Montage von Bildfragmenten, eine sehr kontrollierte Blickreduzierung zu Gunsten einer Öffnung des Blicks auf einen unsichtbaren, imaginär wie real nie fassbaren Horizont hin.
Einstudierte Sehgewohnheiten. Elmar Mauch nutzt ein wahrnehmungspsychologisches Moment in seinen neuesten Arbeiten. Vertikal und horizontal geordnete Linien oder Flächen bestimmen unseren Blick in den Umraum und in die Ferne. Beide bilden das einfachste Invariantenschema, welches für unsere Orientierung, Fortbewegung und Sicherheit notwendig ist. Auffallend bei diesen Abstraktionen ist, wie spontan – in Millisekunden – wir derartige Phänomene erfassen, ohne ihre Tragweite zu erkennen.
Einstellungen
Sofort sind die panoramaartigen Landschaftsausschnitte evident. Formal lehnen sich die breiten Formate der klasssichen Bildaufteilung neuzeitlicher Malerei an. Vordergrund, Mittelgrund, Hintergrund wurden dort farblich von oben nach unten separiert, womit zugleich räumliche Staffelung angezeigt war. In den „Naturen“ ist dieses Schema erkennbar, unterläuft jedoch unser räumliches Bildersehen. Mauch abstrahiert die räumliche Realitätsvorgabe zu Ebenen von Strauch-, Baum- und Himmelsflächen. In ihnen wird Raum nicht mehr als Distanz angezeigt, sondern als wiederholte Gleichförmigkeit wie rhythmische Ornamentteile. Die Künstlichkeit der Bilder wird bewußt, verstärkt durch die Umsetzung in Schwarz-Weiss, durch eine Abstraktion der Sehangebote, durch Transformationsprozesse des Abbildes von Wald. Die redundante Form Baum erst ist es, die den Wald entstehen lässt, und die in den Variationen der fotografischen Waldrealität eine Künstlichkeit herstellt, die auch im Werktitel an das Klonen von Lebewesen erinnert. Durchdrungen von einer strukturellen Schlichtheit sind die optischen Phänomene der Naturerscheinung konzentriert zu einer Analyse der Fotografie an sich. Es enstehen Bilder, die nicht endlich sind, die nie wirklich fassbar sind. Scheinbar erfasst entziehen sie sich immer wieder einer endgültigen Lesbarkeit. Die Möglichkeit, permanent neue Seherfahrungen und -erkundungen zu unternehmen, steht im krassen Gegenteil zu einer normalen fotografischen Rezeption, bei der das Abgebildete so komponiert ist, daß die Funktion einer zielgerichteten Information gewährleistet ist.
Gegenangebote
Das Bildangebot führt bei wirklichem Einlassen auf das Bild zu einem sinnlichen Erlebnis, das dem des Fotografen zum Aufnahmezeitpunkt ähnlich ist. Die Komplexität, die Nichtfassbarkeit dieser Bilder erschließt sich langsam. Die Bildteile stehen wie ein Riegel, eine horizontale Barriere vor Augen. Ein „Ornament der Masse“ kommt zum Vorschein und generiert zu einem zusammenhängenden Band redundanter Einzelteile. Eine Redundanz mit größtmöglicher Varietät. Der Luftraum, die Atmosphäre der Gesamtbänder, umschließt die Welt als konstruiertes Panorama von Oberflächen, die heute unsere Weltsicht prägen. Mauchs Abbildungstreue simulierende Motivwahl „Natur“ ist geflissentlich verdeckt, owohl er nichts verbirgt. Gerade um damit mediale Konstruktion von Welt und Erwartung an dieselbe, unser Wissen als fortwährenden medialen Betrug zu kennzeichnen. Es geht um die Macht des Bildes und seinen Anteil an der Realität, um eine Behauptung als eine Einstellung im doppelten Sinne. Mauch arbeitet im Medium der Fotografie über die Fotografie und gegen sie – was sich bei genauer Betrachtung als Wahrheit herausstellt, als Wahrheit am und im Bild nämlich. Die Natur im medialen Verständnis ist hierbei sein vertrauenswürdiger Partner und unser irritierender Widerpart.
Erkennen im Sehen ist bereits Interpretation von Etwas, ob Strauch, Wald oder allgemein Welt, ist immer eine Konstruktion, mit der wir uns, aber vor allem das Bild selbst betrügen. Mauchs Kunst ist weitaus komplizierter als sie auf den ersten Blick aussieht. Er ist ein Versicherer der Unsicherheit im Umgang mit Bildern. Das scheinbar Einfache entpuppt sich, wenn man sich den Bildern aussetzt, sich mit ihnen auseinandersetzt, allmählich als nicht Fassbares. Man ist auf sich selbst zurückgeworfen.
Elmar Mauch – Naturen Text von Denis Brudna , Photonews 10/2002
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Das abschließende Wort zur Landschaftsdarstellung ist noch lange nicht gesprochen. Ein so häufig interpretiertes Genre, ein so durch Emotionen und Klischees belastetes Sujet bietet immer wieder neue Reibungsfläche, an der sich bildende Künstler aller Epochen messen konnten. Von der idealisierenden, symbolisch überfrachteten Darstellung, über romantische Interpretationen bis hin zu topografisch exakten Dokumenten oder Abstraktionen, bietet auch die Fotografie ein breites Spektrum. Und mit der Möglichkeit der digitalen Bearbeitung und/oder Manipulation öffnet sich ein weiterer gestalterisch-inhaltlicher Weg der Auseinandersetzung.
Elmar Mauchs Serie „Naturen“ lockt den Betrachter mit vordergründig bekannten Naturprototypen an. Seine Baum- und Strauchgruppen im Panoramaformat bieten zunächst die visuelle Entsprechung dessen, was wir allgemein unter Natur verstehen. Bei näherem Hinsehen decouvrieren sich Mauchs Darstellungen als visuelle Collagen und seriell montierte Repetitionen von landschaftlichen Einzelmotiven. So bearbeitet, mutiert die Baumdarstellung zu einer Art Textur, die in einem konzeptionell festgelegten, seriellen Rhythmus als Simulation bzw. Zitat funktioniert. „In meiner künstlerischen Arbeit untersuche ich ästhetische Wahrnehmung. Das Medium Fotografie, bei dem per se die Behauptung mitschwingt:“so ist es gewesen“, will ich gegen den Strich bürsten und einen Raum für Betrachtung schaffen, die jenseits von Kausalität angesiedelt ist“.(E.M.)
Die so provozierte Verunsicherung bewirkt zwangsläufig die Überprüfung der eigenen Einstellung zum Landschafts(ab)bild und die Frage nach der tatsächlichen Urwüchsigkeit der die Natur bildenden Elemente.
Elmar Mauch hat seine neueren Montagen bewußt ohne Eliminierung von Übergängen und visuellen Brüchen realisiert. Gerade dieser Verzicht auf die finale, glatte Verschmelzung der collagierten Strukturen erzeugt bei seinen Werken jene notwendige Spannung, die diese Arbeiten von einer zwar technisch perfekten, dennoch häufig banalen digitalen Manipulation deutlich unterscheiden. Elmar Mauchs „Naturen“ verkörpern eine zeitgemäße und ästhetische Hinterfragung von Landschafts- bzw. Naturdarstellungen, ohne diese zu sehr in ein konzeptionell vorgeprägtes Korsett zu zwingen.
Bilder – Natur | Bild – Naturen Text von Stefan Gronert , 2003
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Keine Orte, keine traditionellen Landschaftsbilder, die man der Realität zuordnen kann: Die oft raumgreifend installierten, mal im kleinen Format gerahmten Bilder von Elmar Mauch (geb. 1961, lebt in Dortmund und Zürich) enttäuschen das romantische Bedürfnis nach Naturansichten, die den Alltag vergessen machen. Die Inkjet-Prints in Schwarzweiß weichen stattdessen vom klassischen Typus der Überblicksdarstellung ab und zeigen in der Manier des „all over“ einen die Bildfläche gleichwertig bedeckenden, also betont unkomponierten Landschaftsausschnitt. Zu sehen ist eine offene Struktur von Natur, das Vielgestaltige, das sich zu einem produktiven Chaos verdichtet und entflechtet. Das Gezeigte könnte also wenn nicht überall, so doch in unzählig vielen Gegenden entdeckt werden.
Anhand von visuell kaum störenden, allemal jedoch unübersehbaren Schnitten wird erkennbar, daß das Abgebildete nur Teil eines undefinierbaren Ganzen ist, daß die Bilder Glieder einer unabschließbaren Serie sind, die auch über das Sichtbare hinaus gehen. Schon hier deutet sich an, daß es Elmar Mauch nicht um klassische Landschaftsbilder, als vielmehr um eine bildliche Analyse von Natur und deren Wahrnehmung geht. Dabei geben diese Bilder dem Betrachter viel Zeit zu einer anschaulichen Entdeckungsreise, die zu nichts abschließendem führt – außer zu sich selbst. Sie offenbaren dementsprechend nichts Spektakuläres. Man sieht Ausschnitte einer unstrukturierten Naturansicht, welche die Illusion eines Motivs aber zugleich auf die Form einer Fläche zurücknimmt. In diesem Sinne handeln Elmar Mauchs Natur-Bilder zwar auch von der „Natur der Bilder“, indem sie immer dasselbe wiederholt zeigen: Bäume, Äste, Stämme, Blätter, Natur, Helles und Verschattetes.
In der Art und Weise, wie sie dies tun, eröffnen sie aber ebenso eine grundlegende Ambivalenz: Elmar Mauchs Bilder sind das Denken über die Natur wie auch über unser Bild derselben. Was ist Natur in der ewigen Wiederkehr der (Ur-) Bilder? Was macht Bilder zu Bildern, zu Gestalten anschaulich komplexen Sinns? Diese Fragen stellen sich in Anbetracht einer klassisch „dokumentarischen“ Fotografie, welche mit der erkennbar montierten Aneinanderreihung von Bild-Bahnen operiert, aber doch nicht das Pathos „unverfälschter“ Sachlichkeit bemüht. Die längst belanglose Frage nach der“Realität (Wahrheit)“ oder der „Täuschung“ durch das fotografische Bild spielt hier keine Rolle, da sie doch im naiven Glauben an die Fiktion von Authentizität an dem Bereich der „Kunst“ vorbeigeht: denn was können künstlerische Bilder sein, wenn sie nicht Wahrnehmung konstruieren, die Wirklichkeit neu montieren?
Im Anschluss an diese mehr als nur rhetorische Frage lässt sich die These formulieren, daß es bei Elmar Mauch längst nicht mehr um das (klassische) Medium der Fotografie geht. Seine Bilder, die ihre Bindung an das Medium des Papiers bisweilen auch aufgegeben haben und sich auf großflächigen Folien fortsetzen, dekonstruieren vielmehr mit fotografischen Mitteln den konventionellen Begriff des Fotografischen. Und in eben dieser zunächst so unspektakulär erscheinenden, künstlerisch jedoch grundlegenden Neuformulierung desBildes liegt die Bedeutung von Elmar Mauchs Ansatz für jene Tendenz der zeitgenössischen Kunst, die sich nicht allein an den gängigen ästhetizistischen Spielereien vergnügt, sondern auch den gesellschaftlichen Stellenwert des Bildes neu reflektiert.